Ursprünglich hatten mein Mann und ich vor, unseren Hochzeitstag in Amsterdam zu verbringen. Die dreitägige Reise war gebucht, inkl. Familienbesuchen bei meiner holländischen Verwandtschaft, aber dann wurde das kleine Kind krank bzw. es wurde nicht rechtzeitig gesund. Wir mussten also kurz vor Ablauf der Stornierungsfrist entscheiden, ob wir riskant optimistisch bleiben oder auf Nummer sicher gehen und alles absagen. Um mir und nicht zuletzt meiner Dreijährigen den Druck zu nehmen, unbedingt ganz schnell wieder gesunden zu müssen, entschieden wir uns für letzteres und siehe da - sie erholte sich über Nacht, auf wundersame Weise sofort (na gut, ich gebe zu homöopathisch nachgeholfen zu haben).
Da wir nun aber bereits einen Tag verloren hatten und wir die lange Anfahrt der Kleinen noch nicht zumuten mochten, entschieden wir uns für eine nicht minder interessante, aber deutlich näher gelegene Alternative: Leipzig.
Ich hatte in zahlreichen Beiträgen darüber gelesen, dass Leipzig das neue, aufregendere Berlin sei, nur in besser, ohne Mitte-Hippster-Nervkram und davon wollten wir uns als "Exberliner" nun überzeugen. Die Unterkunft war innerhalb von Minuten online gefunden: Als ich diese Fotos der Meisterzimmer sah, war die Entscheidung gefallen. Ein Blick in den (fast restlos ausgebuchten!) Buchungskalender ergab, dass mein Wunschzimmer ausgerechnet für die betreffende Nacht noch frei war. Einzig nicht ganz optimal für eine Reise in eine Kunstmetropole (darf ich das schon sagen oder muss ich noch ein paar Jahre, Ausstellungen und verkaufte Bilder warten?!) schienen die gewählten Reisetage Sonntag und Montag zu sein. Jeder weiß, dass Montag beliebt als Ruhetag bei Museen ist und Sonntags sich die Bürgersteige tendenziell auch eher hochgeklappt zeigen, aber da wir bei der Wahl unseres Hochzeitstermines vor 6 Jahren darauf keine Rücksicht nehmen konnten, mussten wir es so nehmen, wie es kam. Inklusive (mehr oder weniger) gemütlichem Sonntagsregenwetter.
Unsere Lösung bestand darin, uns auf kulinarische Highlights zu konzentrieren. Zwei grandiose Tipps dazu fand ich hier, in diesem schönen Leipzig-Beitrag der Stilnomadin Kris Brown: Das Café Fleischerei in der Jahnallee 23 des Waldstraßenviertels:
...und das Zest in der Bornaischen Straße 54, einem veganen Restaurant im alternativen Stadtteil Connewitz:
In beiden Lokalen hielten wir uns an beiden Tagen stundenlang auf (huch, natürlich nur an jeweils einem Tag!) und futterten uns durch die Speisekarte. Und es war ALLES lecker, was mir so gut wie nie passiert, dass mir alles schmeckt.
Auch unsere Übernachtungslocation in der Leipziger Baumwollspinnerei gefiel uns unglaublich gut und entschädigte ausreichend für den teilweisen Mangel an Sonne.
Der Ort des ehemaligen Industriegeländes ist großartig, man hat unglaublich viel zu sehen und zu fotografieren, selbst bei (fast) geschlossenen Galerien, Läden und Ateliers.
Und die Unterkunft in einem der Meisterzimmer war für uns perfekt. Mir geht es immer so, dass ich das Interieur der meisten, besonders aber der großen Hotels bestenfalls als gesichtslos, unpersönlich und langweilig empfinde.
Hier war es ganz anders. Kreativ, individuell und persönlich wurde hier eingerichtet, mit einfachen Mitteln, schlau umgesetzt und Mut zum Unperfekten und Unkonventionellen. Räume, die mich an meine Studentenzeit erinnerten und bauliche Details, vor deren Umsetzung -wenn ich sie bei meinen Projekten vorschlage- sich meine BauherrInnen gerne mal scheuen, aus Angst davor, es könnte zu "selbstgemacht" aussehen.
Tatsächlich fühlte ich mich sehr an die Niederlande erinnert, mit dem schmalen Grundriss, der steilen Treppe, dem großen Industriefenster, der Umkompliziertheit der Einrichtung - und dem starken Kunstbezug, der sich überall ablesen lies, sei es von skizzierten Gästebuch-Einträgen übernachtender Künstler oder den großformatigen Bild-Plakaten an den Wänden. Da mein innenarchitektonisches Verständnis der Niederlande geprägt ist von den Besuchen bei meiner -mit Kunst und Künstlern lebenden- Tante, entstand bei mir sofort das gleiche Gefühl von Gemütlichkeit und familiärem Zuhause.
Für die Stadt Leipzig und ihre ansonsten sehenswerten Ecken brauchen wir einen zweiten Besuch, mit mehr Zeit. Was wir gesehen haben hat uns gefallen und machte Lust auf mehr, aber war letztendlich, auf Grund der knappen Zeit, ein eher oberflächlicher Eindruck.
Macht aber nichts, wir kommen gerne wieder!